Dr. Ute Symanski alias Dr. acad. Sommer gehen bei einer Konkurrentenklage die Pferde durch
Als Frau „Dr. acad. Sommer“ berate ich im DIE ZEIT WISSEN DREI Newsletter die Scientific Community zu diversen Fragestellungen rund um die eigene Führung- und Leitungsrolle im Wissenschaftssystem. „Dr. acad. Sommer“ ist die Coaching-Kolumne des Coachingnetz Wissenschaft e.V. – im Wechsel befassen wir uns mit diversen Anliegen, die an das Redaktionsteam von DIE ZEIT WISSEN DREI gestellt werden. In der Ausgabe von DIE ZEIT WISSEN DREI vom 08. Juli 2024 berate ich in einem Berufungsverfahren, in dem es erste einen Einschüchterungsversuch, und dann eine Konkurrentenklage gab…
„Liebe Frau Dr. acad. Sommer,
ich habe in einem Berufungsverfahren einen Ruf auf eine W3-Professur erhalten. Ein hausinterner Mitbewerber und W2-Professor an derselben Fakultät versuchte, mich einzuschüchtern, damit ich den Ruf nicht annehme. Dem habe ich widerstanden. Der Betreffende reichte daraufhin eine Konkurrentenklage ein. Mit Erfolg: Es kam zu einer Neubewertung, wohl auch, um den ‚Hausfrieden‘ zu wahren. Mir hingegen wurde angeboten, mich auf die nun frei gewordene W2-Stelle zu bewerben. Ich befürchte, dass das zukünftige kollegiale Verhältnis sehr belastet wäre. Sollte ich mich dennoch bewerben?“
Lieber X,
beim Lesen Ihrer Frage gehen Frau Dr. acad. Sommer direkt die Pferde durch! Ich möchte Ihnen zurufen: „Auf jeden Fall bewerben! Holen Sie sich die W2-Professur! Und dann bewerben Sie sich weiter – und gehen dahin, wo der Umgang miteinander besser ist.“ Doch der Reihe nach. Ihr Fall wirft viele Fragen auf, auch rechtlicher Natur. Sie fragen explizit nach der Beziehungsebene zu dem betreffenden Kollegen, weshalb ich darauf fokussiere. Vorab: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Erfolg, einen Ruf auf eine W3-Professur bekommen zu haben!
Zu Ihrer Frage habe ich folgende vier Impulse:
- Entscheidend ist, inwiefern Sie sich vorstellen können, mit dem Kollegen zusammen zu arbeiten – nach allem, was war. Das könnte davon abhängen, wie Sie sein Verhalten bewerten. Empfinden Sie es als persönlichen Angriff? Oder empfinden Sie sein Verhalten als den Einsatz aller verfügbaren Mittel auf dem Weg zu einem begehrten Ziel? Diese Einschätzung führt zum nächsten Punkt:
- Je nachdem, wie Ihre Perspektive auf das Verhalten des Kollegen ist, könnten Sie sich fragen, was Sie brauchen, um eine etwaige Zusammenarbeit für sich selbst akzeptabel zu gestalten. Vielleicht möchten Sie ihm Ihre Sicht auf die Geschehnisse schildern. Vielleicht möchten Sie ihm sagen, dass Sie sein Verhalten als Einschüchterungsversuche empfunden haben, oder als unkollegial. Vielleicht möchten Sie mit ihm Vereinbarungen treffen über das, was für Sie wichtig ist für ein künftiges Miteinander.
- Sie könnten sich fragen, wie wichtig Ihnen die Professur an genau dieser Fakultät ist – ganz losgelöst von dem betreffenden Kollegen. Vielleicht gibt es private oder familiäre Gründe, die aktuell für diesen Ort, für diese Universität sprechen? Die Chancen, dass Sie berufen werden und damit ein für Sie wichtiges Ziel erreichen, scheinen hoch. Ist die Professur Ihnen wichtig, könnte das ein angespanntes Verhältnis zu dem Kollegen übertrumpfen.
- Derzeit ist das Verhältnis zwischen Ihnen beiden ist unbestimmt. Der etwaige künftige Kollege hat erreicht, was er wollte. Es kann gut sein, dass einem kollegialen Verhältnis aus seiner Sicht nichts im Wege steht. Womöglich empfindet er sein Verhalten gar als adäquat und als notwendiges Mittel zum Zweck, als „nicht persönlich gemeint“. Womöglich schätzt er Ihre fachlichen Kompetenzen. Womöglich ringt es ihm Respekt ab, dass Sie sich nicht von ihm haben einschüchtern lassen.
Mein Fazit: Bewerben Sie sich erneut, wenn Ihnen diese Professur wichtig ist. Inwiefern sich diese Vorgeschichte auf die Zusammenarbeit mit dem Kollegen und im Kollegium auswirkt, ist offen. Und gestaltbar. Was genau Sie mit dem Kollegen klären, hängt davon ab, was für ein Verhältnis Sie mit ihm anstreben. Ihr kollegiales Verhältnis wird auch davon abhängen, wie Sie in Kollegium und Fakultät insgesamt verortet sind. Und mit einer W2-Professur „in der Tasche“ könnten Sie sich ggf. weiter an anderen Universitäten umschauen, und beizeiten dort einen Ruf annehmen, wo der Umgang miteinander von Anfang an ein besserer ist.
Erschienen in DIE ZEIT WISSEN DREI vom 08. Juli 2024. Anmeldung zum DIE ZEIT WISSEN DREI-Newsletter unter: www.zeit.de/wissendrei